Gaming, Gamification und Content-Marketing
Erinnert sich noch jemand an den Game Boy? Das war diese tragbare 8-Bit-Videospielkonsole der frühen Neunzigerjahre, die zumindest mir viel Freude und erste Berührungspunkte mit dem Thema „Gaming to Go“ beschert hat. Zuvor gab es noch den sogenannten Brotkasten C64 und natürlich die kultige Spielkonsole Atari 2600. Letztgenannte erblickte gemeinsam mit mir im Baujahr 1977 die Welt. Verrückt, was sich in den letzten Jahrzehnten dahingehend sowie hinsichtlich der Gamification alles getan hat. Die jüngeren unter euch, können ja ihr topaktuelles Smartphone nutzen und nach den Urgesteinen des Gaming suchen. Dafür bedarf es keines Joysticks mehr, die Spracherkennung ist ohnehin viel komfortabler.
Spielerische Kommunikation und erschreckende Entwicklungen
Die Menschheit hat verloren. Mit 4:1 hat die Google-Software AlphaGo kürzlich das Mensch-Maschine-Duell beim Brettspiel Go klar für sich entschieden. Der Gesamtsieg des Computer-Programms gilt als Meilenstein in der Entwicklung selbst lernender Maschinen und künstlicher Intelligenz.
Der 33-jährige und 18-malige Go-Weltmeister Lee Sedol, musste sich demnach schnell geschlagen geben. Nach dem letzten Match gab er unumwunden zu, dass Menschen eher Fehler machen als Maschinen. Das Beispiel zeigt das Ausmaß an spielerischer Kommunikation im weitesten Sinne, die heutzutage möglich ist und für eigene Zwecke genutzt wird.
Nach dem ersten Spiel war er überrascht. Nach dem zweiten Spiel war er enttäuscht. Nach dem dritten Spiel sah er aus, als hätte ihn ein Pferd getreten. (Myungwan Kim, ebenfalls Go-Koryphäe)
Dieses Ereignis sollte uns daher keine Angst machen, sondern zu weiteren Überlegungen anregen. Was bedeutet das beispielsweise für die Unternehmenskommunikation? Wie können wir den Ansatz der Gamification sinnvoll nutzen und in den modernen Kommunikations-Mix einbinden?
Stehen doch auch im genannten Fall in erster Linie die Motivationen und Interessen der „Spieler“ im Mittelpunkt. Über die Aktivierung ihres Spieltriebs winkt ihnen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in puncto persönlicher Vorteil und nutzenstiftender Mehrwert. Also genau das, was wir auch vom Content-Marketing her kennen.
Niemand sollte glauben, dass sowohl der Großkonzern als auch der asiatische Herausforderer völlig uneigennützig gehandelt haben. Es ist eine klare Positionierungsstrategie zu erkennen. Und die Geldbörse hat sicher auch nicht gelitten.
Begrifflichkeiten und der zum Verständnis notwendige Kontext
Um die Stakeholder zu erreichen und langfristig an sich zu binden, bedarf es einer Strategie. Das war schon immer so und wird hier nochmals sehr deutlich. Der digitale Wandel erfordert allerdings immer schneller neue crossmediale Darstellungsformen, kreative Ideen und eine gehörige Portion Mut oder Pioniergeist. Letztendlich um sich vom Wettbewerb abheben zu können und vor allem die Fangemeinde zu begeistern.
Und was auch immer unser Vorhaben prägt: Am Ende des Tages sollen nicht weniger als informative, nützliche und gleichermaßen unterhaltsame Inhalte geschaffen werden. Kontinuierlich und bestenfalls subtil wird die Message platziert und im Mindset der Kunden verankert. Zu diesem Zweck wird der Content optimal aufeinander abgestimmt – konsistent, authentisch, zielgerichtet und akribisch. Segmentiert nach den einzelnen Nutzergruppen.
Somit kann man sagen, dass Gamification aufgrund des veränderten Kundenverhaltens einen Perspektivwechsel der Unternehmen voranzutreiben vermag. Sowohl bei der Strategie als auch der Denkweise.
Gelungene und nachhaltige Kundenansprache im Influencer Marketing
Die Kunst gelungener und nachhaltiger Kundenansprache unterscheidet Content-Marketing von kurzfristigen Kampagnen oder dem klassischen 360-Grad-Marketing. Dabei ist die hierzulande noch immer recht junge Disziplin überaus einfallsreich und sehr offen für neue Ansätze.
Wichtig ist, dass eine Marke oder ein Produkt nicht inszeniert, sondern gewissermaßen zur Verfügung gestellt wird. Und zwar immer dann, wenn und falls beim Kunden Interesse oder Bedarf besteht – und nur wenn Nutzen entsteht. Egal ob digital oder analog, sofort oder später, als Ersttäter oder Routinier.
Der Consumer soll entlang seiner Journey aufgegriffen oder besser gesagt abgefangen werden und gerne wiederkommen – wann und wie er will. Er wird dabei nicht penetrant mit Werbebotschaften konfrontiert oder genötigt, sich mit einer Materie auseinanderzusetzen, sondern dazu motiviert und animiert. Womit sich der Kreis schließt und just hier Gamification im wahrsten Wortsinn ins Spiel kommt.
Säulen der Gamification und deren Bedeutung für das Content-Marketing
Die Aufgabe von Gamification ist es, die Faszination im oder am Spiel auf die Marke zu übertragen, den Funken überspringen zu lassen und die zu kommunizierende Message adäquat zu transportieren beziehungsweise zu transferieren. Dadurch wird eine Wechselbeziehung von Autonomie, Sinnhaftigkeit und extrinsischer Notwendigkeit geschaffen.
Richtig angewandt, wird Content in den meisten Fällen zur Wissensvermittlung eingesetzt, ohne den Gegenüber zu überfordern. Wir passen uns dann an den User an, wählen eine nutzergruppen-orientierte Ansprache. Sind im richtigen Moment am richtigen Ort. Eine gute Story ist ebenso wichtig wie die Berücksichtigung unterschiedlichen Hintergrundwissens.
Daneben geht es um die Generierung eines weiteren Touchpoints, die intuitive Wahrnehmung und den selbsterklärenden Leitfaden beim Kontakt mit den entsprechenden und hoffentlich ansprechenden Inhalten. Je nachdem, wo ich mich gerade aufhalte, wenn mich das Thema interessiert.
Es gibt nach Roman Rackwitz, Gamification Pionier und Social Media Enthusiast, fünf entscheidende Eckpfeiler von Gamification. Diese hat er mir dankenswerterweise im Rahmen der Vorbereitungen zum ursprünglichen Beitrag für das Online-Magazin Zielbar via Skype ausführlich beschrieben.
- Informationstransparenz: Wir werden mit allen relevanten und erforderlichen Informationen versorgt, die zur Bewältigung der Aufgabe und Weiterentwicklung der persönlichen Ziele benötigt werden. Geraten wir ins Stocken, liegt es an uns und nicht am Fehler im System.
- Echtzeitfeedback: Obwohl wir zu 95 Prozent der investierten Zeit scheitern, finden wir die an uns gerichtete Herausforderung nicht unfair. Das liegt daran, dass uns in Echtzeit suggeriert wird, auf dem richtigen Weg zu sein. So bleiben wir stets zuversichtlich, aus den eigenen Fehlern gelernt zu haben und zukünftig noch besser zumindest improvisieren zu können.
- Ziele/Regeln: Egal auf welche Art von Spiel wir uns eingelassen haben – wir wissen um die Komplexität und Auswirkung. Zumal sich die übergeordneten Zielsetzungen in viele kleine Meilensteine runterbrechen lassen und wir uns somit fortwährend in einem für uns sehr vertrauten Rahmen bewegen.
- Entscheidungsfreiheit: Du hast die Wahl und kannst die für dich bestens geeignete Rolle einnehmen, neu interpretieren oder im Zweifel wechseln. So oder so wirst du gut darin sein wollen, was wiederum die Verbundenheit zum Spiel-Charakter stärkt. Demnach willigen wir unterschwellig in eine Selbstverpflichtung oder freiwillige Selbstkontrolle ein.
- Herausforderung: Langfristig funktioniert Gamification nur, wenn sie uns immerzu vor neue Herausforderungen stellt. Der Aberwitz ist also, dass die Belohnung ein zunehmender Schwierigkeitsgrad ist.
Für das Content-Marketing von Unternehmen bedeuten diese 5 Säulen der Gamification, dass die zu kolportierenden Inhalte an der gesamten Markenpositionierung ausgerichtet sein müssen, dass das angewandte Storytelling der Markenwahrnehmung entsprechen muss, dass die eigentliche Kernbotschaft nahtlos in die Strategie integriert werden kann, dass die relevante Zielgruppe sich punktgenau und prägnant angesprochen fühlen sollte und dass der gesamte Prozess sich an den Grundsätzen nachhaltiger Kommunikation orientieren muss.
Pauschalisierungsversuch in Form einer subjektiven Zusammenfassung
Gaming und Gamification ist nicht nur etwas für Teens und Couchpotatos. Im Content-Marketing-Kontext gelingt Gamification, wenn sie so konzipiert ist, dass die Interessenten Spaß am Umgang mit den gebotenen Inhalten haben. Im Gedächtnis bleibt man allerdings nur, wenn ein relevanter Nutzen entsteht. Demnach muss auch beim Gaming der schmale Grat zwischen humorvollem und albernem Auftreten bewältigt werden.
Der Erfolg von Gamification ist also immer stark von der Erwartungshaltung potenzieller Kunden und ihrer Affinität zu Spielen abhängig. Wirkt das Vorhaben weder stimmig noch professionell, so ist man schnell raus. Hinzu kommt: Materielle Belohnungen übertreffen virtuelle. Deshalb sind Gewinnspiele wohl immer noch so populär, obwohl sie eigentlich längst eingemottet gehören. Aber der Spieltrieb ist stark in uns, und individuelle Gegenleistungen sind verlockender als allgemeine. Kurzum, Gamern geht es primär um SAPS: Stuff, Access, Power und Status.
Alles in allem überwiegen bei Gamification im Content-Marketing damit die Vorteile: Es werden Emotionen geweckt, die Motivation wird gefördert, Aspekte des Storytellings werden aufgegriffen sowie bestehende Strukturen der Kommunikation aufgebrochen und sinnvoll ergänzt. Im Idealfall führen unterhaltsame und mehrwertorientierte Inhalte respektive Anreize wie diese dann zu mehr Traffic, Leads und Interaktion und zahlen auf die Unternehmensziele ein.
Nicht nur im Bereich Gaming, sondern allgemein in der Unternehmenskommunikation sind maßgeschneiderte Ansprachen mehr als sinnvoll. Neue Konzepte sind gefragt, um unter anderem eine technik- und spielaffine Zielgruppe wirklich zu erreichen. Fans, Follower, Gamer, User oder Personas wollen nicht nur unterhalten, sondern eingebunden und ernst genommen werden.
Dieser Beitrag basiert auf meinen Ausführungen zu Gamification für das Gemeinschaftsprojekt Zielbar und ist Bestandteil der Blogparade „Gaming, nur etwas für Nerds?“ von der Prüfkiste.
Autor: Stefan Schütz / Google+
Foto: Lupo / pixelio.de
Pingback: Blogparade: Gaming, nur etwas für Nerds? - Zusammenfassung - Die Prüfkiste