Interview: Verkaufen Sie einen Werbetext nicht als Pressetext

Für die Blog-Reihe „Menschen, Medien, Meinungen – Experten im Interview“ bat mich Klaus Wenderoth um ein Gespräch. So durfte ich neben Marketingstrategen, Medienmachern, Printprofis, Textakrobaten und Vertriebsassen zum Thema Pressetext zu Wort kommen.

Leisten wir uns den Luxus, eine eigene Meinung zu haben. Otto von Bismarck

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kommt für viele Unternehmen gleich nach der Werbung: Irgendwie nötig, aber mit Kosten verbunden. Für manche ein saurer Apfel, aber Vorsicht: Wer Geld sparen will und auf „selbst Gemachtes“ setzt, tut sich damit selten einen Gefallen. Besser man spricht mit Stefan Schütz, PR-Berater mit Marketingstudium und viel Erfahrung. Denn: Ganz ohne „Trommeln“ kommt heute kaum ein Unternehmen aus.

Herr Schütz, Sie kennen das Zitat von Conrad Ahlers: „Öffentlichkeitsarbeit ist die Verbreitung von Wahrheit in verschönerter Form“. Es geht also im Kern um „Verbreitung“ bei dem, was Sie tun?

Die Verbreitung von Informationen spielt eine zentrale Rolle. Public Relations sind jedoch weitaus vielseitiger und umfassen in erster Linie die gesamte öffentliche Kommunikation von Organisationen oder Personen gegenüber Dritten.

Wie sich nachhaltiger Content auf die Reputation auswirkt

Eine zielgerichtete Platzierung und die Streuung von nachhaltigem Content sind unabdingbar, um generell ein positives Image oder eine hohe Reputation zu erzielen. Gebe ich beispielsweise per Pressetext fortlaufend leblose Inhalte oder unnützes Wissen ohne jeglichen Bezug von mir, strafen die Empfänger (hier ist nicht die Rede von Zielgruppe) dies mittelfristig mit Missbilligung ab. Es geht mehr darum, die Beziehungen zur Öffentlichkeit zu pflegen.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind für ein Unternehmen mit unterschiedlichen Zielsetzungen verbunden. Welche sind das in der Regel?

Hier möchte ich zunächst differenzieren: Ein Start-up wird andere Ziele verfolgen (können) als die „wertvollste Marke“ der Welt! Der Gestaltungsspielraum bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist ein anderer. Schwierig wird es, wenn sich das Marketing einmischt und die Zielsetzung in eine konträre Marschrichtung abdriftet.

Unabhängig davon, sind die Maßnahmen wie ein Pressetext stets schlüssig zu planen und kontinuierlich umzusetzen. Eine gewisse Flexibilität wird die Verfolgung der individuellen Strategie positiv beeinflussen. Im Allgemeinen werben wir bei Kunden um Sympathie oder Verständnis respektive Aufmerksamkeit. Der Aufbau eines konsistenten Bildes in der Öffentlichkeit ist ein solches Ziel oder die Steigerung des Bekanntheitsgrades.

Nachhilfe in Sachen Pressetext gelingt nur auf Augenhöhe

In erster Linie arbeiten Sie natürlich für Ihre Kunden. Und dann für die Medien, sprich mundgerecht für Journalisten und Redakteure?

Als Mediaberater bin ich in der glücklichen Situation, dass meine (Agentur-)Kunden zugleich branchenaffin sind. Sie benötigen keine Nachhilfe bei einem Pressetext. Die Gespräche verlaufen auf Augenhöhe, mit konkreten Vorstellungen. Bei der Beratung kommt mir zugute, dass ich ursprünglich aus dem Marketing komme und den Rechtfertigungsdruck der Agenturen kenne. Wenngleich ich auch bei gestandenen Account Managern widerspreche, wenn die geplante Kampagne zu „platt“ wirkt!

Wir alle lassen uns am zu definierenden Erfolg messen. Da ist es notwendig, kontrovers zu diskutieren und vor allem ehrlich zu sein. Es kommt extrem gut an, Dinge anzusprechen, die im Rahmen von einem Pressetext nicht realisiert oder in der beabsichtigten Form veröffentlichen werden können. So beuge ich eine falsche Erwartungshaltung vor und bleibe mir treu. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass die Redakteure, Journalisten und Verlage qualitativ hochwertige Beiträge geliefert bekommen – in der Tat „mundgerecht“.

Jedoch nicht „nach dem Mund geredet“, sondern eher im Sinne von „jemandem das Wort aus dem Munde genommen“. Oder um im Bild zu bleiben: Dem Verantwortlichen oder interessierten Leser sollte das „Wasser im Munde zusammenlaufen“.

Ein Alleinstellungsmerkmal und das Gespür für Relevanz

Nehmen wir ein Beispiel. Ein neuer Dienstleister, möchte auf nationaler Ebene sein Angebot, ohne eine spezifische Zielgruppe, bekannt machen. Wie ist die klassische Vorgehensweise?

Unabhängig vom Budgetvolumen, geht es los mit einer genauen Analyse. Der Dienstleister muss wissen, welches USP (Unique Selling Proposition) er hat. Wo seine Stärken und Schwächen liegen, welche Inhalte er den potenziellen Kunden vermitteln will. Außerdem wie intensiv der Wettbewerb ist und er sich von der Konkurrenz abheben kann.

Ist darüber hinaus eine Firmenphilosophie erkennbar, erleichtert dies später die Öffentlichkeitsarbeit enorm. Persönliche Gespräche sind unentbehrlich, um einen gemeinsamen Konsens zu finden und das gegenseitige Vertrauen zu gewinnen. Nach dieser bedeutsamen Startphase gehen alle weiteren Schritte locker(er) von der Hand. Demnach muss ich mich entscheiden, welche Medien ich „bespielen“ will. Fortlaufend werden aktuelle und geeignete Themen recherchiert sowie entsprechende Texte verfasst, redigiert und platziert.

Immer mit Blick auf eine klare Kommunikation und die Weiterentwicklung der anfänglich genannten Überlegungen. Die PR-Ziele bilden die Basis der einzusetzenden Instrumente. Eine beständige Erfolgskontrolle, beispielsweise mit Clippings oder dem in der PR eher kritisch bewerteten Anzeigenäquivalenzwert, vervollständigt das Vorhaben. Das sorgt für eine Überprüfung und Optimierung des schrittweisen Vorgehens.

Standards für Pressemitteilungen gibt es nicht

Bedarf es in aller Regel vieler persönlicher und guter Kontakte zu den Medien, um mit einer Pressemitteilung oder einem Pressetext abgedruckt zu werden?

Ja und nein! Ein funktionierendes Netzwerk wird niemals schaden, um die eigene Pressearbeit zu lancieren. Jedoch zählt (wie im „echten Leben“) nicht die Anzahl der Personen, sondern vielmehr wie belastbar der Kontaktkreis ist. Es ist sinnvoll, einen guten Rat und Tipps von Profis anzunehmen. Damit sind zunächst Basics oder Standards für eine solide Pressemitteilung oder einen Pressetext gemeint.

Agenturen sorgen für einen qualitativ hochwertigen Feinschliff inhaltlicher Art, Texter geben der Meldung eine persönliche Note und gegebenenfalls die nötige Würze. Mediendienstleister dienen als Bindeglied zu den Verlagen respektive Sendeanstalten und bringen per Definition die erforderlichen oder ersehnten Reichweiten mit ein. Letztgenannte gewährleisten darüber hinaus, nicht zuletzt aufgrund einer intensiven Betreuung und Kontaktpflege, selbst bei schwierigeren Themen zahlreiche Veröffentlichungen.

Generell merke ich an, dass unter Vermeidung von Fehlern und mit einer tollen Story eigenständig Abdrucke generiert werden können. Profis platzieren allerdings deutlich besser zum perfekten Zeitpunkt das richtige Thema im gewünschten Umfeld.

Erfolg lässt sich durch Selbstreflexion und Kritik steuern

Natürlich gibt es bei der PR-Arbeit bestimmte „dos and don´ts“. Können Sie mir bitte welche nennen?

Wichtigste Tugenden bei der PR-Arbeit sind Ausdauer und Geduld. Der Erfolg kommt nicht über Nacht und lässt sich vor allem nicht erzwingen. Ausdrücklich empfehle ich Spaß bei sowie Freude an der Arbeit zu haben. Eine „gesunde“ Identifikation mit dem Unternehmen, dem Produkt oder der Dienstleistung bildet hierzu die Grundlage und verhindert eine etwaige Betriebsblindheit.

Um Rückschläge schneller verarbeiten und in positive Ansätze ummünzen zu können, ist eine kritische Selbstreflexion hilfreich: Bin ich wirklich witzig oder halte ich mich bloß für humorvoll? Kann ich hoch hinaus oder bin ich jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt? Wir sollten nicht versuchen, Werbetexte als Pressemitteilungen zu verkaufen.

Wesentlich effektiver ist es, eine fesselnde Geschichte zu erzählen, die Botschaft latent unterzubringen und der Zielgruppe schmackhaft zu machen. Unbedingt ist professionelle Hilfe ratsam! Bei allen Entscheidungen muss ein klares Kommunikationsziel bei professioneller Umsetzung Anwendung finden.

Agentur ist bei Tag und bei Nacht die geilste Stadt der Welt

Für welche Problemstellungen im Rahmen Ihrer Arbeit suchen Sie noch nach Lösungen?

Ich begleite renommierte PR-Agenturen und Redaktionsbüros. Ebenso KMUs und Großkonzerne bei einer zielgerichteten Medienpräsenz. Die Fluktuation der Mitarbeiter innerhalb der Branche ist zwar überdurchschnittlich hoch, die Branche aber zugleich ausgesprochen klein. Ist der Einstig erst geglückt und stimmt die Chemie, arbeiten wir viele Jahre gemeinsam in unterschiedlichen Positionen an verschiedenen Herausforderungen. Was großartig ist und das „Agenturleben“ ausmacht.

Mit einigen Verantwortlichen (bitte hier keine Hierarchie hineininterpretieren, vom Junior-Berater bis zur Geschäftsführerin ist alles vertreten) besteht ein persönliches Verhältnis. Mit einem Augenzwinkern und voll des Eigenlobes kann ich somit uneigennützig sagen: Empfehlungen und Reputationen geben mir und meiner Arbeit recht. Allerdings gibt es zu viele schwarze Schafe, die mit unseriösen Angeboten und leeren Versprechen den Wettbewerb kaputt machen.

Es ist schwer, die verprellten und vermeintlich potenziellen Kunden erneut einzufangen und von einem professionellen Mediendienstleister zu überzeugen. Womöglich muss ich noch reaktionsschneller sein und vermehrt argumentative Überzeugungsarbeit leisten. Den Wettbewerb als solchen halte ich für wichtig und ich nehme selbigen gerne an!

Warum früher alles besser war und das nicht stimmt

Früher bedeutete Öffentlichkeitsarbeit in aller erster Linie Zeitungsarbeit. Und heute?

Es gibt nichts Spannenderes als neue Trends aufzuspüren und zu verfolgen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist schnelllebiger gegenüber „früher“ geworden. Dies wiederum eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten. Nehmen wir konkret das Beispiel „Zeitungsarbeit“: Während diese in erster Linie noch mit Papier in Verbindung gebracht wird, sind meine ersten Assoziationen Online-Titel von Tageszeitungsportalen, App-Stores und das iPad.

Ich bin ein großer Befürworter der crossmedialen Verbreitung. Deshalb rate ich neben Print, Funk und Bewegtbild gerne zu Online-PR und Social Media. Allein die stetig wachsende Auswahl an PR-Instrumenten spiegelt die Entwicklung schön wider. Exemplarisch seien hier klassische Instrumente wie Pressemitteilungen, Case Studies, Redaktionsbesuche, Geschäftsberichte und Mitarbeiterzeitschriften sowie moderne Mittel wie Websites, Corporate Blogs und Wikis genannt. Das Zusammenspiel und die Gesamtwirkung (Stichwort: Corporate Identity) sind von Interesse und bergen genügend Stoff für ein zusätzliches Interview.

Schön, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Vielen Dank Herr Schütz!

Autor: Stefan Schütz
Foto: rsunshine / pixabay

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