Social Media in Zeiten des digitalen Wandels
– warum „social“ nicht „sozial“ heißt
Die Zeit drängt. Auf das Tempo. Alles verändert sich. Auch ihr euch. Das Nutzerverhalten, das Angebot, das große Ganze. Gesellschaftlich ist die Hölle los. Nicht nur beim Blick auf die Tagesschau, sondern überall. Wenn man sich nicht gerade davor bewusst verschließen will und endlich aus dem Fenster zum Hof guckt.
Wir werden allesamt getrieben von Trends und Innovationen und Updates. Wirklich geflasht sind wir davon aber nur noch relativ selten. Vom Nutzerverhalten, vom Angebot und vom großen Ganzen irgendwie schon länger nicht mehr. Packen wir dann doch lieber mit an. Sofort und jeder wie er kann.
Ich kann zum Beispiel (wenn nicht schon längst geschehen) über die KiTa meines Sohnes Sachspenden mit auf den beschwerlichen Weg geben. Oder diese Plattform dazu benutzen, auf eine wunderbare Aktion hinzuweisen und hoffentlich zahlreiche Nachahmer zu finden. Und mich am Ende des qualvollen Leidens Tages mit einer monetären Hilfe beteiligen.
Social heißt leider nicht sozial
Der digitale Wandel zieht unaufhaltsam seine Kreise. Gut so. Zudem verspüre ich zunehmend die Hilfsbereitschaft in Bezug auf die Flüchtlingsdebatte. Aber es gibt da aus meiner Sicht einige Grundlagen aufzuarbeiten.
Laut Duden gibt es so wohlklingende Synonyme von „sozial“ wie: gemeinnützig, hilfsbereit, karitativ, selbstlos, uneigennützig, barmherzig und wohltätig. Doch wo bitte schön, bietet sich hiermit der Ansatz oder die Intention, den geflügelten Begriff Social Media in Soziale Medien oder Social Network in soziales Netzwerk zu übersetzen?
Ist es doch vielmehr so, dass allerorts gepöbelt und gehetzt und diskutiert wird. Ohne Rücksicht auf Klarnamen, Reputation, Ethik oder sonstige Spielregeln der Netiquette. Zumal die Wohltätigkeit eher selten im Fokus steht und niemand uneigennützig handelt. Abgesehen von der Tatsache, dass ohnehin Social Media nur beim Pöbel funktionieren.
Mir geht es diesmal bei Weitem nicht um eine Diskussion von Begrifflichkeiten oder Schreibweisen, sondern um ein Phänomen. Ein Bild, welches sich mir immer mal und in letzter Zeit häufiger bietet.
Als ich eine vermeintlich humorvolle Headline namens „Content kommt von Können – Content Marketing von Könnern“ hinausposaunte, da musste ich mich tatsächlich von einem Leser in puncto Latein-Kenntnisse belehren lassen. Die vom gleichnamigen Leser für ansonsten zu nutzenstiftend befähigten Inhalte des Blogposts wurden zur Nebensache deklariert.
Als ich in die Runde fragte, warum wir eigentlich in den meisten Fällen von Personas anstelle von Personae sprechen, kamen wenigstens sachdienliche Hinweise zutage. Von wegen SEO und so.
Als ich dann im Rahmen einer Veranstaltung erfuhr, dass soziale Medien derzeit verstärkt dazu genutzt werden, um in einen Dialog mit wem auch immer zu treten – musste ich stutzen und mit meinem Hinweis auf die Diskrepanz zwischen „social“ und „sozial“ in ahnungslose Gesichter blicken. Worauf ich hinaus wollen würde?
Zuerst denken – dann hochbücken
Der Mythos, dass social als Synonym für sozial gilt, hält sich hartnäckig. Aktuelle Ereignisse im Social Web sollten jedoch auch die letzten Zweifler vom Gegenteil überzeugen können. Wenn das überhaupt notwendig oder die traurige Frage ist.
Michael Dreusicke beispielsweise hat hierzu vor einigen Jahren Folgendes geschrieben:
Wer ’social‘ mit ’sozial‘ im althergebrachten Sinn übersetzt, verkennt die eigentliche Bedeutung dieses Ausdrucks. Es handelt sich bei ’social‘ vielmehr um die formale Beschreibung einer bestimmten Art der Kommunikations-Infrastruktur. Kurz gesagt, um öffentliche Interaktion. ‚Social‘ ist also keine (statische) Content-Qualität, sondern eine (dynamische) Prozess-Qualität.
Hansjörg Leichsenring klärt in seinem Beitrag über Missverständnisse bei den Social Media auf:
Das Wort sozial suggeriert auf den ersten Blick, dass Aktivitäten in sozialen Medien primär altruistisch motiviert sind. Ein Blick in den Duden belegt jedoch, dass das Wort sozial aus dem lateinischen socius abgeleitet ist und dies bedeutet schlichtweg: gemeinsam. Bei sozialen Medien geht es damit primär um die Art und Weise, wie zusammengearbeitet wird.
Markus Maurer schlägt auf eine unwissenschaftliche Art und Weise ebenfalls in diese Kerbe:
Social Media setzt sich aus den englischen Begriffen social und media zusammen. Medien können wir stehen lassen, aber den Begriff sozial müssen wir noch ein wenig genauer unter die Lupe nehmen. Bei Social Media kommt der Begriff vom englischen ’socializing‘, welcher mit ‚knüpfen von Kontakten‘ übersetzt wird oder Neudeutsch mit ‚Networking‘. Seit Beginn hat mich die Übersetzung ‚Social Media‘ zu ‚Soziale Medien‘ gestört – es hat für mich kein Sinn ergeben. Ja was genau ist denn sozial an Facebook, Twitter & Co.?
Franziska von Lewinski sieht dankenswerterweise aus aktuellem Anlass einen Sinneswandel und Lichtblicke:
Die aktuelle Flüchtlingssituation zeigt: Facebook und Smartphones sind wichtiger denn je. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt für Helfer und Flüchtlinge. Die digitale Teilhabe ist ein Schritt zur Integration. Soziale Netzwerke gelten oft als egomanische Nabelschau. Doch in der aktuellen Flüchtlingssituation zeigt sich, welche Kraft sie haben.
Endlich wird aus social sozial
Das Vorstandsmitglied von fischerAppelt konnte wohl meine Gedanken lesen und Spricht mir aus der Seele.
Für mich als Blogger und aktiver Teilnehmer der öffentlichen Interaktion, ist dieser Blogpost eine Herzensangelegenheit. Hiermit möchte ich „Blogger für Flüchtlinge“ unterstützen und die Botschaft „Wir wollen helfen“ mit euch teilen!
Blogger für Flüchtlinge ist eine Initiative von Nico Lumma, Stevan Paul, Karla Paul und Paul Huizing.
Wir sind ganz normale Menschen. Menschen denen nicht egal ist, wie mit anderen Menschen umgegangen wird. Menschen, die helfen wollen. Wir wollen Augen öffnen. Niemand soll mehr wegschauen. Wir versuchen gemeinsam die Flüchtlingshilfe zu unterstützen.
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Die Grenzen einzelner Disziplinen verwischen innerhalb der Kommunikation. Die Grenzen einzelner Länder werden hingegen wieder manifestiert. Machtlos sind wir nicht. Das geile daran (wenn man das überhaupt so sagen darf) sind die vielen positiven Signale, die eben genau das Gegenteil von Machtlosigkeit und Ignoranz verkörpern. #bloggerfuerfluechtlinge ist nur eines davon!
Autor: Stefan Schütz / Google+
Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de