Influencer Relations versus Public Relations
Welchen Einfluss haben Influencer auf die PR?
Aufgrund der Social Media gewannen Influencer in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Folglich gibt es kaum eine Marke, die sich Meinungsmacher nicht zunutze macht. Mal abgesehen von politischen Parteien, wie das aktuelle Beispiel von Rezo und diversen Mitstreitern deutlich zeigt. Influencer Relations sind im Mittelstand der Gesellschaft (sic) angekommen. Zumal divergente Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Markenbotschafter aus den eigenen Reihen, authentische Fürsprecher mit einer starken Community, mainstreamige Kultfiguren oder prominente Persönlichkeiten.
Vor geraumer Zeit wurde ich von einer Bachelor-Absolventin zur Entwicklung von Influencer Relations befragt. Gemeinsam gingen wir der Frage nach, welchen Einfluss Influencer auf die klassische PR-Arbeit haben. Das daraus resultierende Interview dient als Grundlage für den hiesigen Beitrag und ist um aktuelle Tipps, Tricks und Trends erweitert. Thema der wissenschaftlichen Arbeit: „Die Veränderung der Public Relations unter Einfluss von Influencern.“
Können Sie sich bitte und ihren beruflichen Werdegang einmal vorstellen?
Mein Studium der Betriebswirtschafslehre habe ich mit den Schwerpunkten Marketing und Personalwesen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Parallel begann im Jahr 1998 mit der ersten eigenen E-Mail-Adresse meine digitale Laufbahn. Zuvor gab es erste Ausflüge in die virtuelle Welt mit dem Atari 2600 und später mit dem liebevoll betitelten ‚Brotkasten‘ C64. #DigitalBiografie
Als Unternehmensberater im Bahn- und Logistiksektor habe ich meine ersten Sporen verdient. Im Anschluss bewegte ich mich als Kommunikator in verschiedenen Positionen zwischen Marketing, Vertrieb und Public Relations. Machte Station als Projekt-, Marketing- und Vertriebs- sowie Teamleiter bei Startups, Mittelständlern und Agenturen. Stets begleitete ich Unternehmen und Marken bei strategischen Fragestellungen, crossmedialen Maßnahmen und im Content-Marketing.
Neben all der Pressearbeit, Krisen-PR und Kampagnen-Planung, betreibe ich mit Herzblut das Blog PR Stunt. Dort setze ich mich auf selbstironische und teilweise musikalische Weise mit klassischen Kommunikationsthemen und Social Media auseinander. Bis heute bin ich Senior-Berater bei einer der größten inhabergeführten PR-Agenturen des Landes. Seit Ende 2014 bin ich zudem Teammitglied beim Online-Magazin Zielbar.
Was sind für Sie Influencer und was macht einen erfolgreichen Influencer aus?
Influencer haben viele Gesichter und Funktionen. Häufig ist ferner von Alphas, Mavens, Opinion-Leader, Meinungsführer, Markenbotschafter oder schlichtweg Einflussnehmer die Rede. Ich nenne sie auch gerne Digital Rockstars oder Supertargets.
Unabhängig von Format, Branche oder Tätigkeit, handelt es sich hierbei um eine Gruppe von Menschen, die hohes Ansehen genießen. Die einen Expertenstatus besitzen oder sonst wie im Rampenlicht stehen und Ruhm erlangten. Der inoffizielle Titel beinhaltet demnach eine Art autoritäre und souveräne Leitfunktion.
Influencer Relations tragen dazu bei, Meinungsmacher zu identifizieren und diese anschließend gezielt in den jeweiligen Kommunikationsmix einzubinden. Es geht also um bemerkenswerte Charaktere, die als Multiplikatoren für individuelle Botschaften fungieren.
Für eine Blogparade fragte ich rund ein Dutzend Branchengrößen aus meiner Filterblase, ob sie sich für einen Influencer halten und warum nicht. Daraus resultiert die zuvor gezeigte Infografik.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits in der Zusammenarbeit mit Influencern?
Im Rahmen meiner verschiedenen Tätigkeiten habe ich umfassende Erfahrungen mit Influencern gesammelt. Als da wären Blogger-Kooperationen, YouTuber-Produktionen, Dienstleister-Handling, Medien-Kooperationen mit und ohne Media-Budget oder Gewinnspieleinsatz, Fachbeiträge, Blogposts und Instagram Stories.
Dazu gesellen sich die Planung und Durchführung von Events, Kampagnen, Influencer-Scans, Testimonials, der persönliche Kontakt (Messen, BarCamps, Kongresse, Interviews, Stammtische, Freundschaften) und Vertragsmodalitäten.
Exkurs: Influencer Relations versus Influencer-Marketing
Beim Influencer-Marketing steht hingegen die kurzfristige, aufmerksamkeitsstarke Promotion eines Produkts oder einer Message im Mittelpunkt. Die Reichweite und Authentizität des Influencers werden genutzt, um die gewünschte Botschaft zielgerichtet an den entsprechenden Touchpoints zu platzieren. Gemäß aktueller Rechtssprechungen sind Kooperationen und Beiträge beider Formen deutlich zu kennzeichnen. Im Zweifel lieber einmal mehr.
Wie groß schätzen sie das Interesse von Unternehmen ein mit Influencern zusammen zu arbeiten? Besteht hier schon eine aktive Nachfrage? Und wenn ja, sind Branchen auffällig, die bevorzugt auf Influencer zurückgreifen?
Das Interesse der Unternehmen ist groß. Bei nahezu jedem Pitch bringen wir Influencer mit ein – werden sie eingefordert. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich eine 7+ angeben, je nach Umfang der Kampagne. Oft suchen wir zudem auf Anfrage der Unternehmen nach dem oder den passenden Influencern.
Leider ist die Zahlungsbereitschaft für solche Dienstleistungen bislang gering und das Verständnis für Influencer Relations eher dünn. Allerdings geht der Trend weg vom temporären Marketing, hin zu langfristigen Arrangements. Die Mode- und Lifestyle-Branche sticht meines Erachtens heraus. Wenn das überhaupt zu pauschalisiere ist. Aber ich habe auch schon für Lebensmittel, Blumen, Lichtschalter oder Tech-Produkte mit Influencern zusammengearbeitet.
Wie professionell arbeiten Influencer und welche Risiken stecken in der Zusammenarbeit? Stichwort: Schleichwerbung, schlechte Content-Aufbereitung und persönliche Erfahrungen?
Per Definition sind Influencer äußerst professionell aufgestellt. Meine persönlichen Erfahrungen mit Influencern sind durchweg positiv. Insbesondere, weil wir mit umfangreichen Briefings und Verträgen arbeiten. Sämtliche Eventualitäten werden im Vorfeld und im gegenseitigen Einvernehmen abgestimmt. Ich sehe da kein Risiko – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Eine gewisse Gefahr sehe ich beim Verschleiß: Die Authentizität der bekannteren Influencer leidet meiner Meinung nach vermehrt. Stets die identischen Gesichter – das langweilt sicher nicht nur mich! Vielmehr empfehle ich den Aufbau eigener Markenbotschafter. Das Potenzial ist groß, der Weg jedoch lang.
Ich habe bei dieser Infografik bewusst auf Follower-Zahlen verzichtet. Einerseits gibt es keine offizielle Definition zu den Abgrenzungsvariablen. Andererseits halte ich die quantitative Bewertung aufgrund zu vieler Fake-Accounts und inaktiver Profile für keine hinlängliche Kennziffer. Vielmehr differenziere ich zwischen Reichweite, Einfluss, Interaktion und Volumen. Letztgenannte Variable bezieht sich unter anderem auf den Preis, aber auch auf die Anzahl der Kanäle beispielsweise. Die daneben verwendete „Authentizität“ – meist abnehmend von Mega zu Nano dargestellt – lässt sich diskutieren.
Was ist für Sie klassische PR-Arbeit?
Die Verbreitung von Informationen und Inhalten durch unterschiedliche Formate spielt sicherlich eine zentrale Rolle bei der klassischen PR-Arbeit. Public Relations sind aber weitaus vielseitiger und betreffen zum Beispiel interne Kommunikationsprozesse. Sie umfassen in erster Linie die gesamte Kommunikation von Organisationen oder Personen gegenüber Dritten.
Zudem sind eine zielgerichtete Platzierung und die Streuung von nachhaltigem Content unabdingbar. Insbesondere, wenn generell ein positives Image oder eine hohe Reputation als Ziele ausgegeben sind. Die PR-Arbeit sorgt dafür. Gebe ich stattdessen fortlaufend leblose Inhalte oder unnützes Wissen ohne jeglichen Bezug von mir, werden die Empfänger dies mittelfristig mit Missbilligung abstrafen. Dem wirken die PR wiederum entgegen. Es geht also bei der klassischen PR vornehmlich darum, die Kommunikationsbeziehungen zu pflegen. Dabei stets authentisch zu sein.
Haben sich die PR mit Blick auf den Einsatz von Influencern verändert? Wenn ja, was hat sich verändert?
Für die Public Relations haben sich nach meiner bisherigen Erfahrung und mit Blick auf den Einsatz von Influencern nichts verändert. Die Begriffe sind eher generisch. Influencer Relations mögen moderner klingen, die Herangehensweise bleibt bestehen. Wir reden hier ja nicht über Halbgötter, sondern von Kommunikatoren oder Entscheidern.
Eine wesentliche Hürde beim Influencer-Marketing ist es, die richtigen Partner für eine Kampagnen-Idee zu finden. Denn noch mehr als bei anderen Formen der Kommunikation zählt hier, dass Botschafter und Marke beziehungsweise Produkt gut zusammenpassen.
Ansonsten gilt, bei der Auswahl des richtigen „Mediums“ die Wünsche und Gepflogenheiten der Zielgruppe zu berücksichtigen. Und natürlich den Anforderungen der Unternehmung gerecht zu werden. Ob die Deduktion anhand von Media-Daten oder Media-Kits erfolgt, ist aus meiner Sicht sekundär. Nur um einen vermeintlichen Unterschied zwischen Public Relations und Influencder Relations herauszugreifen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung von Influencer Relations in Zukunft ein? Welches Potenzial steckt Ihrer Meinung nach dahinter?
Der Markt wird sich beim Influencer-Marketing weiter bereinigen. Immer mehr Influencer verlangen für ihr „Können“ immer mehr und meines Erachtens zu viel Geld. Einige schwarze Schafe sind zu gierig und stellen unrealistische Forderungen. Mittelfristig bleibt die Authentizität auf der Strecke.
Influencer Relations bieten daneben Chancen für zum Beispiel Mittelständler, die ihre Produkte im B2B-Sekor als Weltmarktführer verkaufen und nun einen bequemen, unterstützenden Weg zu den Zielgruppen suchen. Die eine Blase wird gewiss irgendwann platzen. Daraufhin entstehen fortwährend neue Plattformen, Kanäle und Formate. Jedem das Seine, solange die Stakeholder glücklich sind…
Wie muss die Öffentlichkeitsarbeit reagieren und umdenken? Wie werden sich die Abläufe und Vorgänge nach eigenem Einschätzen verändern?
Die zu transportierenden Inhalte müssen im Rahmen des digitalen Wandels zunehmend klar formuliert und schnell zu erfassen sein. Influencer können dazu dienen, die Botschaften zielgerichtet zu verbreiten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Marke oder ein Produkt nicht inszeniert, sondern gewissermaßen zur Verfügung gestellt wird. Gefragt ist doch letztendlich, was Emotionen weckt und unterhaltsam, bedeutsam oder faszinierend wirkt.
Außerdem stellt die sinkende Aufmerksamkeitsspanne eine große Herausforderung für die Influencer Relations und Public Relations gleichermaßen dar. Es wird immer schwerer, die Zielgruppen mit den herkömmlichen und bewährten Methoden zu erreichen. Zumal die Vorstellungen und Bedürfnisse hinsichtlich mehrwertbietender Inhalte ebenso wie der Wettbewerb stark zugenommen haben. Wir müssen uns vom Einheitsbrei lösen und sowohl inhaltlich als auch technisch in unterschiedlichen Formaten denken.
Autor: Stefan Schütz
Fotos: designwebjae, MoteOo / pixabay.com
Sehr interessanter Beitrag zu Influencer Relations mit vielen Informationen – leicht verständlich verfasst. Top! 🙂
Vielen Dank, Influencer gibt es ja mittlerweile wie Sandstrand am Meer 🙂
Ich habe mich selber ausführlich mit dem Thema beschäftigt, da ich in ein paar Tagen eine Klausur darüber schreiben werde. Nach langem rumstöbern bin ich auf diesen Artikel gestoßen, der mir viele neue Eindrücke vom Thema geliefert hat. Ich finde es faszinierend, was für eine große Macht die Influencer über das heutige PR Geschäft haben und bin vom Artikel selber auch sehr beeindruckt. Ich habe auch noch einen anderen sehr guten Artikel über diese Thematik gefunden, den ich dringend weiterempfehle: https://www.lammenett.de/influencer-marketing/influencer-veraendern-pr-arbeit.html LG Fanny
Hallo Fanny,
vielen Dank für dein ausführliches Feedback und Lob! Ich drücke dir die Daumen für die bevorstehende Klausur 😉
VG, Stefan