Krisenkommunikation: So bereiten sich Unternehmen richtig vor!
Grundlagen, Beispiele und Checkliste für smarte Krisen-PR
Ob Datenleck, Shitstorm oder Rückruf – Krisen sind der Albtraum eines jeden Unternehmens. Sie kommen meistens unerwartet, eskalieren schnell und bedrohen nicht nur die Reputation, sondern auch das Vertrauen deiner Zielgruppen. Doch mit der richtigen Vorbereitung und einer durchdachten Krisenkommunikation gehst du im besten Fall sogar gestärkt daraus hervor. Schließlich kommt unverhofft oft.
In diesem Blogartikel erfährst du jedenfalls alles, was du über die Grundlagen der Krisen-PR wissen musst. Mit konkreten Beispielen, einer hilfreichen Checkliste und vielerlei Tipps, die jede Krise bewältigen helfen. Für erfahrene Kommunikator:innen ist Krisenkommunikation nämlich bisweilen ein Geschenk.
Mut zur Krisenkommunikation
Eine gelungene Krisenkommunikation basiert in erster Linie auf drei Säulen. Bevor wir uns diese genauer anschauen, möchte ich dir erstmal Mut zusprechen.
Zum einen kenne ich bis heute keinen Krisenfall, der ernsthaft nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist. Nehmen wir als Beispiel den sogenannten Dieselskandal. Die beteiligten Marken gibt es immer noch, dominieren weiterhin zumindest den deutschen Markt und sie plagen ganz andere Probleme. Einen Imageschaden gab es, klar. Von großer Dauer war dieser allerdings nicht. Oder kannst du mir neben dem VW-Konzern ein weiteres Unternehmen nennen, welches verwickelt war?
Außerdem ist die Lage in den allermeisten Fällen gar nicht so ernst, wie anfangs vermutet. Anders ausgedrückt tun sich mit jeder Krise zugleich Chancen auf. Jene lassen sich mit einer zeitgemäßen Kommunikation heben. Wichtig dabei ist zu verinnerlichen, dass Krisenkommunikation kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“ ist. Und zwar für Start-ups, Mittelständler, Großkonzerne oder Influencer gleichermaßen.
„Wenn der Wind der Veränderung weht, suchen manche im Hafen Schutz, während andere die Segel setzen!“ (unbekannt)
Ich bin mit Blick auf das Zitat für letzteres und glaube fest daran, dass sich jeder Sturm legt. Um im Bild zu bleiben, gebe ich dir die folgende „Shitstorm-Skala“ von Barbara Schwede und Daniel Graf mit auf den Weg. Der sinnbildliche Wetterbericht für Social Media liefert ein grobes Verständnis dafür, wie sich ein laues Lüftchen zu einem Orkan entwickeln kann oder eben umgekehrt.
Basics der Krisenkommunikation
-
Vorbereitung ist das halbe Leben
Eine Krise kommt eher selten aus dem Nichts. Unternehmen sollten aus eigenem Interesse für alle denkbaren Szenarien gewappnet sein und den Ernstfall präventiv vorbereiten. Insbesondere für große Player gilt, einen ausgefeilten Krisenkommunikationsplan in der obersten Schublade zu haben. Leider beobachtete ich indes häufiger das Phänomen der inneren Zufriedenheit. Gerade Organisationen, die bislang erfolgsverwöhnt von jeglicher Krise verschont wurden, bereiten sich nur wenig bis gar nicht auf eine mögliche Eskalation vor. „Et hätt noch immer jot jejange“, sagen wir gerne in Köln.
Das geht besser! Deshalb können wir uns schnell auf einen kleinen gemeinsamen Nenner verständigen. Dazu gehört:
- Krisenteam benennen: Wer ist zuständig? Wer ist der richtige Ansprechpartner für die Medien? Wer hält die Fäden intern in der Hand? Bestimme also Verantwortliche und stelle sicher, dass alle wissen, was wann zu tun ist. Eine Telefonkette hilft dabei.
- Szenarien durchspielen: Ob Datenpanne, Rückrufaktion oder vernichtende Google-Bewertungen – simuliere regelmäßig mögliche Krisen. Funktionierende interne Prozesse sind unabdingbar und lassen sich systematisch überprüfen.
- Krisenleitfaden erstellen: Ein schriftlicher Plan ist Gold wert. Was sind die ersten Schritte? Wer informiert wen? Wie läuft die Kommunikation ab? Neben Kontaktdaten ist eine Übersicht sinnvoll, wo entsprechende Informationen abliegen.
-
Transparenz schafft Vertrauen
Versuche niemals, eine Krise zu vertuschen – das geht in aller Regel der Kunst fast immer nach hinten los. Kund:innen, Partner und die Öffentlichkeit erwarten vielmehr Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Kommuniziere demnach klar, sachlich und verständlich. Fachjargon bleibt in der Krise außen vor. Lieber kurz, einfach und bildhaft bleiben.
Das Prinzip „Angriff ist die beste Verteidigung“ mag im Sport gelten, nicht aber in der Krise. Ich empfehle bei berechtigten Vorwürfen etwaige Fehler zuzugeben, bevor sie andere aufdecken oder sich Gerüchte verfestigen. Die FPD um Christian Lindner ist meinem Rat bei der D-Day-Affäre leider nicht gefolgt. Eine der ersten Aufgaben ist es, mit Hochdruck relevante Fakten zu ermitteln und größtmögliche Transparenz zu schaffen. Bitte trotzdem Ruhe vor Schnellschuss walten und sich nicht beispielsweise von Medien treiben lassen.
Wesentlich für eine offene und ehrliche Kommunikation ist, dass sie nicht unter etwaigen Emotionen leidet. Wobei eine sachliche Antwort auf emotionale Vorwürfe in der Regel kontraproduktiv wirkt. Außerdem rufen auswendig gelernte Floskeln auf konkrete Anschuldigungen oft weiteren Unmut hervor. Dagegen muss man sich auch nicht alles gefallen lassen. Zeige, dass du die Sorgen deiner Zielgruppen ernst nimmst und darauf authentisch eingehst.
-
Schnelligkeit und Authentizität zählen
In einer Krise zählt jede Minute. Die ersten 24 Stunden entscheiden oft über den Verlauf. In der Zeit bis zur ersten Erklärung des Unternehmens, also im Zeitraum ohne Aussage, wird über das Geschehene spekuliert und gemutmaßt. Und das Zeitalter der Fakten ist vorbei, Fakenews übernehmen die Oberhand und wirken im Social Web wie ein Brandbeschleuniger. Gerüchte entstehen und sie sind das Letzte, was du in einer Krisensituation brauchst. Zumal ohnehin nur noch die allererste aufgeschnappte Überschrift zählt. Bereite deshalb schnelle Freigabeprozesse und kurze Kommunikationswege vor.
Denn Geschwindigkeit ist und bleibt ein elementarer Baustein. Es reicht häufig aus, einen angemessenen Zeitraum für eine Stellungnahme zu nennen. So verschaffst du dir ein gewisses Zeitfenster, um im Hintergrund alle notwendigen Register zu ziehen und die vorbereiteten Prozesse zu starten. Daneben bringt die mediale Schnelllebigkeit auch Vorteile. Nie ging es schneller, aus dem Rampenlicht wieder zu verschwinden. Die Halbwertszeit von Nachrichten ist äußerst kurz geworden. Mit einem soliden Abfedern der ersten Wehen verschwindet das öffentliche Interesse schneller.
Checkliste für smarte Krisen-PR
Puh, ganz schön viel Stoff. Keine Atempause, die Krise wird gemeistert! Als Zwischenfazit kommt hier eine Checkliste für deine persönliche oberste Schublade:
Vor der Krisenkommunikation – Vorbereitung
- Trainings und Schulungen durchführen
- Rollen und Verantwortlichkeiten klären
- Krisenteam und Vertretungen definieren
- Kontaktdaten und Informationen aktualisieren
- Kanal für die interne Kommunikation einrichten
Während der Krisenkommunikation – Management
- Interne Prozesse laut Leitfaden anstoßen
- Freigabeprozesse und Kommunikationswege einhalten
- Fakten ermitteln und Transparenz schaffen
- Statements und Kernbotschaften formulieren
- Medien und Zielgruppen proaktiv informieren
Nach der Krisenkommunikation – Analyse
- Klassische Medien und Social Media screenen
- Muster und Trends differenziert erkennen
- Eigene Aktivitäten konstruktiv bewerten
- Verantwortung als Führungskraft übernehmen
- Monitoring- und Tracking-Tools einrichten
Nach der Krise ist vor der Krisenkommunikation. Im Grunde genommen geht es immer wieder von vorne los. Die dargestellten drei Phasen sind bitte nicht als trennscharf zu verstehen. Vielmehr gilt es, Synergien zu schaffen und parallel zu agieren.
No-Gos beim Krisenmanagement
Prima, du bist gut gewappnet! Werfen wir abschließend einen Blick auf die Dinge, die du unbedingt vermeiden solltest.
-
Schweigen
Keine Reaktion ist eine schlechte Reaktion. Bitte nicht verwechseln mit, kein Alkohol ist auch keine Lösung. Schweigen lässt sich im Krisenfall als Inkompetenz oder sogar Verweigerung auffassen. Beides resultiert in einem Vertrauensverlust. Du solltest dich im Idealfall an die Erwartungen des Publikums ausrichten, um Krisen von vornherein zu vermeiden. Situatives Krisenmanagement ist zu kurz gedacht, Stillschweigen unterstreicht zusätzlich eine miese Vorbereitung.
-
Humor
In Krisensituationen Sprachwitz zu beweisen, ist vermeintlich gewagt, töricht oder völlig deplatziert. Wohldosiert kann er andererseits die Diskussion entkrampfen oder aufwerten. Niemand stellt sofort die Fachkompetenz infrage, wenn ein Wortspiel adäquat Gebrauch findet. Umgekehrt gebietet sich manchmal Ernsthaftigkeit, um Dritte nicht unnötig zu provozieren oder schlichtweg aus ethischen Gesichtspunkten.
-
Kreativität
Kreativer Output und ein gewisses Maß an Selbstironie helfen beim Umgang mit Krisen meistens nur uns selbst und um Ruhe zu bewahren. Sie muss unbedingt an die jeweilige Situation angelehnt sein und stets authentisch wirken. Was und wie viel erlaubt ist, lässt sich nur schwer vorhersagen. Einen bleibenden Eindruck als Antwort auf die geeignete Dosis, hat bei mir Gesine Märten beim oben erwähnten Krisen-PR-Camp hinterlassen.
-
Schuldzuweisung
Widersprüchliche Aussagen, etwaige Missverständnisse und vor allem Schuldzuweisungen führen zur Belastung für die Krisenbewältigung. Zeige Größe und übernimm Verantwortung. Dabei gilt es zumindest öffentlich von einer Entschuldigung abzusehen – das kann nämlich wie ein Eingeständnis wirken und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gegenüber Dritten sind Anschuldigungen darüber hinaus im Worst-Case-Szenario im juristischen Sinne als Verleumdung zu werten. Auch das Verharmlosen kommt selten gut an.
-
Unnahbarkeit
Distanz zu wahren heißt in Krisenzeiten nicht, sich vollends zurückzuziehen. Oder womöglich eine arrogant anmutende Attitüde an den Tag zu legen. Vielmehr heißen Empathie, Sensibilität und Neugierde die Schlüsselwörter für erfolgreiches Krisenmanagement. Dieses Einfühlungsvermögen hilft auch bei der realistischen Einschätzung von Geschwindigkeiten, mit denen eine Krise sich auszubreiten vermag.
Fazit zur Krisenkommunikation: Grundlagen und Vorbilder als Schlüssel
Wir befinden uns in einer kulturellen Weiterentwicklung, die Krisenkommunikation verändert sich gerade im Social Web rasant. Und für meine Begriffe in eine zu negative gesellschaftliche Richtung. Jedes Unternehmen, welches sich in der Romantik alter Tage suhlt, findet sich bei einer Krise binnen Minuten in einem Meme wieder.
Klar ist, dass eine Krise jedes Unternehmen treffen kann – aber nicht jedes Unternehmen muss daran zerbrechen. Mit einem konkreten Plan, einem eingespielten Team und der Bereitschaft, transparent zu kommunizieren, kannst du auch in turbulenten Zeiten Vertrauen und Glaubwürdigkeit bewahren oder zurückgewinnen. Wer souverän reagiert, bleibt in Erinnerung – und zwar positiv. Vorbilder gibt es zuhauf.
Daher ist es umso wichtiger, die Zielgruppen und Medien in ihrem Kern zu verstehen. Die Sprache der dort befindlichen Menschen zu sprechen, um sich für den Fall der Fälle bereits eine loyale Pufferzone aufgebaut zu haben. Eine Krisensituation kommunikativ abzuwenden ist einfacher, wenn es außerhalb des Unternehmens ausreichend Fürsprecher gibt.
Übernimm Verantwortung und zeige Flagge. Öffentliche Äußerungen sind nicht zuletzt unter rechtlichen Aspekten genau abzuwägen. Dennoch sind berechtigte Vorwürfe besser umfassend zuzugeben als per „Salami-Taktik“ auf Brot zu schmieren. Bereits eine erste zeitnahe und vor allem ehrliche Reaktion, nach interner Prüfung und sachlicher Analyse, trägt wirkungsvoll zur Deeskalation bei.
Autor: Stefan Schütz / PR Stunt
Foto: Eigene Darstellung / ChatGPT